Waldrapp 3 (8.7.23)

Am Samstagmorgen tröpfelte es gelegentlich, was mich aber nicht davon abhielt nachzuschauen, was die beiden Jungen machen.

Überraschenderweise war niemand sonst am Beobachten, und so hatte ich unter dem Vordach des gegenüberliegenden Hauses gut Platz und Schutz vor Nässe.

Zunächst war es denkbar langweilig. Ganz hinten in der Ecke lag ein dunkles Knäuel. So tat ich das, was Naturfotografen meistens tun: Warten. Nach etwa einer halben Stunde bewegte sich das Knäuel, ein Flügel wurde sichtbar, dann erhob sich der ältere Jungvogel. Das Gefieder ist seit dem letzten Besuch vor einer Woche stark gewachsen, die Schwingen sind jetzt schon weit gediehen. Die beiden Jungen standen nun zeitweise, flügelten, pickten am Nistmaterial herum, entleerten sich (das jüngere nicht so gekonnt über, sondern genau auf den Nestrand).

Etwa eine Stunde verging, die beiden waren in ihrem Nestbereich recht aktiv, um zwischendurch auch wieder mal eine Pause einzulegen.

Ein weiterer Beobachter gesellte sich dazu, beim Gespräch dann eine Frage, die ich nicht mit Sicherheit richtig beantworten konnte, und erst zuhause die vermutete Antwort fand: Flügge Junge kehren immer wieder zum Brutplatz - was in der Regel Kolonien sind - zurück.

Die beiden Jungen waren wieder recht aktiv, als sie sich plötzlich in ihre hinterste Ecke begaben, und still dort lagen. Der Grund: Das Männchen mit der Nummer 233 namens Enea war zum Nest zurückgekehrt: der Nahrungsbringer. Der gab aber gar nichts von sich, sondern legte sich vor die Jungen, und ruhte zunächst einmal aus. Es dauerte einige Zeit, bis er begann, Nahrung zu übergeben. Vor allem der jüngere Waldrapp bettelte ausführlich mit Kopf zurück werfen und kam zum Schluss auch zum Erfolg: Er konnte sich im Schlund des Altvogels bedienen. Die Schnabelgrösse der Jungen ist jetzt wohl so, dass die Nahrung bald nicht mehr aus dem Schlund geholt wird, sondern von Schnabel zu Schnabel übergeben wird.

Mit ihren zwei Jungen ist das Pärchen Enea und Rupert (das Weibchen) ziemlich genau im Durchnitt der Reproduktion. Spannend wird sein, was die Familie nach der Brut unternimmt. Bleibt sie hier und zieht von hier aus nach Süden? Fliegen sie zunächst wieder nach Überlingen, wo sie herkommen? Was passiert nächstes Jahr?

Für die betroffene Harley Davidson Grage waren die beiden ziemlich sicher eine gute Werbung (sofern Vogelliebhaber Harley fahren), und die gegenüberliegende Garage hatte sogar eine Webkamera eingerichtet (siehe Waldrapp 2).